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Fernwärmenetz Stuttgart- Urteil des BGH

Selbstbestimmungsrecht der Kommunen weiter beschnitten. Seit 2010 müssen Kommunen die Konzession für ihr Strom- und Gasnetz ausschreiben. Zuvor konnte eine Kommune die Konzession auf einen 100 % städtischen Betrieb übertragen, ohne Ausschreibung (Inhouse-Verfahren).
Die ausschreibungsfreie Konzessionsübernahme galt bisher noch für die Wärmenetze und die Wasserversorgung. Nach dem Urteil des BHG müssen nun auch die Konzessionen für den Betrieb von Wärmenetzen ausgeschrieben, in den Markt gestellt werden. Sie sind liberalisiert.
Das ist ein weiterer Einschnitt in die kommunale Autonomie, in die Subsidiarität.

Für die Stadt Stuttgart bedeutet das, dass sie ein Ausschreibungsverfahren einleiten muss. Der Konzern bzw. das Stadtwerk, der/das das beste Angebot macht (günstige und ökologische Erzeugung, zukunfts- und bürgerorientiert u.a.), bekommt die Konzession für die nächsten 20 Jahre. Die Stuttgarter Stadtwerke können sich theoretisch auch bewerben - swr, 5.12.2023



Konzession = Verkauf auf Ewigkeit?
Bisher konnten die Kommunen die neue Konzession für die Wasser- und Fernwärmenetze unbestritten per Gemeinderatsbeschluss wieder auf eigene Betriebe rückübertragen: das sog. 'Inhouse-Verfahren'. Jetzt sollen sie nach einer Konzessionsvergabe an einen Konzern die Netze nicht mehr in kommunales Eigentum zurückholen können. Die Vergabe einer zeitlich beschrä¤nkten Konzession ist zum Verkauf geworden. Das ist die Bedeutung des Landgerichtsurteils - ein neuer Schlag gegen die kommunale Selbstbestimmung, ein weiterer Schritt in die neoliberale Konzernherrschaft.

Nach der Fernwärme unsere Wasserversorgung?
Nachdem die Ausschreibungspflicht für die Vergabe von Strom- und Gasnetzen durch die Kartellamtsstuben (Unterabteilungen der energiekonzern-freundlichen Wirtschaftsministerien) in der Praxis durchgedrückt und von den wirtschaftsfreundlichen Zivilgerichten sanktioniert wurde, geht es jetzt um die beiden restlichen Grundversorgungen einer Kommune: Fernwä¤rme und Wasser.


Berufung hat sich gelohnt

Die Berufung der Stadt gegen das Urteil des Landgerichts zur Rückgabe des Fernwärmenetzes vor dem Oberlandesgericht Stuttgart am 20.2. hat sich gelohnt: EnBW muss Fernwärmeleitungen notfalls ausbauen - StN, 20.2.2020

Landgericht Stuttgart: EnBW muss Fernwärmenetz nicht zurückgeben

EnBW siegt vorerst im Streit ums Fernwärmenetz - StZ, 15.2.19. Hierzu die Presse-Erklärung des Stuttgarter Wasserforums, 18.2.19. Stuttgart als Landeshauptstadt Baden-Württembergs hat die politische Verpflichtung, die kommunale Hoheit in der Daseinsvorsorge grundsätzlich zu verteidigen und den Angriff der Konzerne und Zivilgerichte abzuwehren, bis zum Bundesverfassungsgericht. Kleine Kommunen haben das Geld hierfür nicht.

Berlin verliert den Kampf um die Fernwärme - vorerst

Ein weiterer Angriff auf das Konzessionsrecht: Das Verwaltungsgericht sieht für Berlin kein Recht auf Übernahme des Fernwärmenetzes von Vattenfall. Im Vorfeld hatten Vertreter des Senates angekündigt, durch alle Instanzen klagen zu wollen - berliner-zeitung.de, 30.6.2017 - PE Verwaltungsgericht Berlin, 30.6.2017. 'Senat schaut in die Röhren' - TAZ Berlin, 3.7.2017

Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes - eine politische Frage

Die Rekommunalisierung unseres Fernwärmenetzes ist ausschließlich eine Frage des politischen Willens - nicht eine Frage der rechtlichen Möglichkeit. Rechtlich ganz einfach per Gemeinderatsbeschluss oder per Bürgerentscheid möglich, analog der Rekommunalisierung unserer Wasserversorgung.

- Die Konzession für das Fernwärmenetz muss nicht ausgeschrieben werden, wenn die Kommune diese auf einen 100 % eigenen Betrieb übertragen will.

- Wasser- und Fernwärmenetze sind rechtlich gleichgestellt.

Gutachten - Gerichtsbeschlüsse

entstanden aus der Ablehnung des Bürgerbegehrens 'Energie- & Wasserversorgung Stuttgart" 2012. Die Rechtslage ist seitdem unverändert.

- Zustellungsurkunde der Stadt Stuttgart vom 21. Januar 2013 - Urkunde, Seite 5,
Punkt 4.3: "Das Ziel des Bürgerbegehrens (bezieht sich auf das 2. Bürgerbegehren "Energie & Wasser Stuttgart), die Fernwärmeversorgung durch die Stadt selbst zu übernehmen, ist im Rahmen der Rechtsordnung grundsätzlich erreichbar".

- Gutachten der Juristen Dolde, Mayen & Partner vom 19. April 2012 - Gutachten,
S. 37, Punkt 2: "Für die Fernwärmeversorgung gilt demnach im Grundsatz das Gleiche wie für die Wasserversorgung" - und S.40, 1. Abschnitt

- Verwaltungsgericht Stuttgart, S. 4, Zeile 17 - VG -"Das Ziel des Bürgerbegehrens, die Fernwärmeversorgung durch die Stadt selbst zu übernehmen, sei ... im Rahmen der Rechtsordnung grundsätzlich erreichbar".

- VGH Mannheim , S. 16, Punkt 4 - VGH

Dass Stuttgart die alten Kraftwerke der EnBW nicht zurückkaufen kann, ist ein Segen und keine Notwendigkeit für die Rekommunalisierung des Fernwärmenetzes. Hätte sonst ein so gewiefter Geschäftsmann wie der ehemalige Geschäftsführer der Stadtwerke Schwäbisch Hall, Johannes van Bergen, sich um die Konzession fürs Stuttgarter Fernwärmenetz beworben? Auch er hätte die Kraftwerke in Münster und Gaisburg nicht erwerben können und wollte es auch gar nicht. Die Zeit der Wärmewende hat schon längst begonnen.
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